Finanzierung

Renten, Barwerte und Inflation

Die Ableitung des Rentenbarwertfaktors

Der Barwert einer Zahlungsreihe ist die Summe der auf den Anfangszeitpunkt abgezinsten Zahlungen. Fallen z.B. drei Zahlungen in Höhe von 100 Euro über drei Jahre zu jedem Jahresende an und beträgt der Zinssatz 2%, dann erhält man als Barwert B:

(1)   \begin{equation*} B = \frac{100}{1,02} + \frac{100}{1,02^2}  + \frac{100}{1,02^3} = 98,04 + 96,12 + 94,23 = 288,39. \end{equation*}

Der Barwert in Höhe von 288,39 Euro kann als der Betrag interpretiert werden, den man am Kapitalmarkt zu 2% anlegen muss, um 3 Jahre lang eine Zahlung in Höhe von 100 Euro zu erhalten. Man beachte, dass der Barwert kleiner als die einfache Summe der Zahlungen ist. Im vorliegenden Beispiel ist die Berechnung recht übersichtlich. Das ändert sich, wenn man häufigere Zahlungszeitpunkte betrachtet. Würde man z.B. den Barwert einer Rente, die über 26 Jahre läuft, auf diese Art und Weise berechnen, müsste man 26 mal die Zahlung abdiskontieren.

Einfacher ist es, den Rentenbarwertfaktor heranzuziehen. Dieser gibt für eine bestimmte Rente, mit einer bestimmten Laufzeit und einem bestimmten Zinssatz, den Barwert an. Sei die Rente a, die Laufzeit n und der Zinssatz i, dann ist der Rentenbarwertfaktor RBF(n;i) der Faktor, für den die Gleichung

(2)   \begin{equation*}B = a \cdot RBF(n;i)\end{equation*}

gilt.

Wie berechnet sich dieser Rentenbarwertfaktor?

Der Barwert einer Rente mit Laufzeit n beträgt offensichtlich:

(3)   \begin{equation*}B = a \cdot \left(\frac {1} {1+i} + \frac {1} {(1+i)^2}+ \ldots +\frac {1} {(1+i)^n}\right)\end{equation*}

Das heißt, der Rentenbarwertfaktor ist gleich:

(4)   \begin{equation*}RBF(n;i) = \left(\frac {1} {1+i} + \frac {1} {(1+i)^2}+ \ldots +\frac {1} {(1+i)^n}\right)\end{equation*}

Der Rentenbarwertfaktor kann in einer geschlossenen Form geschrieben werden. Um dies zu erreichen, multipliziert man beide Seiten der vorigen Gleichung mit (1+i),

(5)   \begin{equation*}RBF(n;i) \cdot (1+i) = \left(\frac {1} {1+i} + \frac {1} {(1+i)^2}+ \ldots +\frac {1} {(1+i)^n}\right) \cdot (1+i)\end{equation*}

bzw.

(6)   \begin{equation*}RBF(n;i) \cdot (1+i) = \left(1 + \frac {1} {1+i} + \frac {1} {(1+i)^2}+ \ldots +\frac {1} {(1+i)^{(n-1)}}\right)\end{equation*}

und dann subtrahiert man Gleichung (4) von Gleichung (6). Die Brüche \frac {1}{1+i} + \frac {1}{(1+i)^2}+ \ldots +\frac {1} {(1+i)^{(n-1)}} fallen weg. Übrig bleibt:

(7)   \begin{equation*}RBF(n;i) \cdot (1+i) - RBF(n;i) = \left(1 - \frac {1} {(1+i)^{n}}\right)\end{equation*}

Diese Formel lässt sich vereinfachen zu:

(8)   \begin{equation*}RBF(n;i) \cdot i = \frac {(1+i)^n - 1} {(1+i)^{n}}\right)\end{equation*}

Und schließlich erhält man für den Rentenbarwertfaktor:

(9)   \begin{equation*}RBF(n;i) = \frac {(1+i)^n - 1} {(1+i)^{n} \cdot i}\right)\end{equation*}

In unserem Eingangsbeispiel ist i=0,02 und n=3. Der Rentenbarwertfaktor beträgt:

(10)   \begin{equation*}RBF(3;0,02) = \frac {(1+0,02)^3 - 1} {(1+0,02)^{3} \cdot 0,02}\right) = 2,883883\end{equation*}

Wendet man diesen Rentenbarwertfaktor auf die Rente in Höhe von 100 Euro an, erhält man als Barwert 288,3883 Euro. Dies entspricht dem weiter oben ermittelten Barwert.

Der Barwert einer Rente

Die durchschnittliche Lebensdauer eines 67-jährigen Mannes beträgt 15,76 Jahre. Wie hoch ist der Barwert einer monatlichen Rente in Höhe von 2.000 Euro?

Zur Vereinfachung nehmen wir eine Laufzeit von 16 Jahren an, und dass die monatlichen Renten summiert zum Jahresende ausbezahlt werden, also am Jahresende 2.000 \cdot 12 = 24.000 Euro. Insgesamt werden in den 16 Jahren 24.000 \cdot 16 = 384.000 Euro ausbezahlt. Bei einer Verzinsung von 2 Prozent beträgt der Rentenbarwertfaktor:

(11)   \begin{equation*}RBF(16;0,02) = \frac {(1+0,02)^{16} - 1} {(1+0,02)^{16} \cdot 0,02}\right) = 13,5777\end{equation*}

Und damit beträgt der Barwert 24.000 \cdot 13,5777 = 325.864,80 Euro. Um eine jährliche Rente von 24.000 Euro zu erzielen, müssten bei 2 Prozent Zinsen 325.864,80 Euro angelegt werden.

Was geschieht mit dem Barwert, wenn der Zinssatz steigt? Richtig, der Barwert sinkt. Bei einem Zinssatz von 4 Prozent verändert sich der Rentenbarwertfaktor zu:

(12)   \begin{equation*}RBF(16;0,04) = \frac {(1+0,04)^{16} - 1} {(1+0,04)^{16} \cdot 0,04}\right) = 11,6523\end{equation*}

Der Barwert ändert sich zu 24.000 \cdot 11,6523 = 279.655,20 Euro. Der Barwert sinkt deshalb, weil mit dem steigenden Zinssatz der Anteil der Zinsen an den Rentenzahlungen steigt.

Der Wiedergewinnungsfaktor

Will man für einen gegebenen Barwert wissen, welche Rente damit finanziert werden kann, bedient man sich des Wiedergewinnungsfaktors. Löst man obige Beziehung,

(13)   \begin{equation*}B = a \cdot RBF(n;i)\end{equation*}

nach a auf,

(14)   \begin{equation*}a = B \cdot \frac{1}{RBF(n;i)}\end{equation*}

sieht man, dass für die Berechnung der Rente aus einem gegebenen Barwert der Kehrwert des Rentenbarwertfaktors herangezogen werden muss. Dieser Kehrwert entspricht dem Wiedergewinnungsfaktor WGF:

(15)   \begin{equation*}WGF(n;i) = \frac{1}{RBF(n;i)} = \frac {(1+i)^{n} \cdot i} {(1+i)^n - 1}\end{equation*}

Mit dem Wiedergewinnungsfaktor lässt sich z.B. die Frage beantworten, welche Rentenzahlung mit einem bestimmten Barwert möglich ist. Zum Beispiel, welche Rente über 16 Jahre bezahlt werden kann, wenn der Barwert 375.000 Euro und die Verzinsung 2 Prozent beträgt. Der Wiedergewinnungsfaktor beträgt:

(16)   \begin{equation*}WGF(16;0,02) = \frac{1}{RBF(16;0,02)} = \frac {(1+0,02)^{16} \cdot 0,02} {(1+0,02)^{16} - 1 } = 0,0737\end{equation*}

Damit berechnet sich eine jährliche Rente in Höhe von 375.000 \cdot 0,0737 = 27.637,50. Dies ist plausibel, da wir oben gesehen haben, dass der Barwert einer Rente in Höhe von 24.000 EUR 325.864,80 beträgt. Die Rente bei einem höheren Barwert ist höher. Wie verändert sich die Rente, wenn der Zinssatz auf 4 Prozent steigt? Der Wiedergewinnungsfaktor beträgt jetzt:

(17)   \begin{equation*}WGF(16;0,04) =  \frac {(1+0,04)^{16} \cdot 0,04} {(1+0,04)^{16} - 1 } = 0,0858\end{equation*}

Die Rente steigt jetzt auf 375.000 \cdot 0,0858 = 32.175,00. Die höhere Rente bei gleichem Barwert kommt durch die höheren Zinsen zustande.

Inflation

Nominal ändert sich durch die Inflation nicht viel. Allerdings ändert sich real einiges – das Geld verliert an Kaufkraft, die Menge an Konsumgütern, die mit einem bestimmten Betrag gekauft werden kann, wird kleiner. Kostet ein bestimmter Warenkorb jetzt 1000 Euro, dann kostet er bei einer Inflationsrate von 8 Prozent ein Jahr später 1080 Euro. Anders ausgedrückt: 24.000 Euro in einem Jahr kaufen nur noch Waren, die real 22.222,22 Euro wert sind, ein Jahr später sinkt der Warenwert auf 20.576,13 Euro, nach 16 Jahren beträgt der Warenwert nur noch 7.005,73 Euro (24.000/(1,08)^{16}). Nominal hat sich nicht so viel geändert, jedes Jahr stehen 24.000 Euro zur Verfügung, die Kaufkraft dieser Rente ist gesunken.

Möchte man real immer den gleichen Warenkorb kaufen, müsste die Rente, um die Inflationsrate angepasst werden. Das führt zu einem höheren Barwert. Doch wie muss die Formel für die Berechnung des  Barwerts angepasst werden? Offensichtlich muss die Rente um die Inflationsrate f steigen, im ersten Jahr auf a \cdot (1+f), im zweiten Jahr auf a \cdot (1+f)^2, für das n-te Jahr muss sie um a \cdot (1+f)^n angepasst werden. Der Barwert einer solch steigenden Rente beträgt:

(18)   \begin{equation*}B = a \cdot \left(\frac {1+f} {1+i} + \frac {(1+f)^2} {(1+i)^2}+ \ldots +\frac {(1+f)^n} {(1+i)^n}\right)\end{equation*}

Für diesen Ausdruck lässt sich auch schreiben:

(19)   \begin{equation*}B = a \cdot \left[\frac {1+f} {1+i} + \left(\frac {1+f} {1+i}\right)^2+ \ldots +\left(\frac {1+f} {1+i}\right)^n\right]\end{equation*}

Der Ausdruck in den eckigen Klammern ist der Rentenbarwertfaktor, RBI, der die Inflation berücksichtigt

(20)   \begin{equation*}RBI(n;i;f) = \frac {1+f} {1+i} + \left(\frac {1+f} {1+i}\right)^2+ \ldots +\left(\frac {1+f} {1+i}\right)^n\end{equation*}

Auch für den RBI lässt sich eine geschlossene Formel herleiten. Dazu multipliziert man zuerst beide Seiten von Gleichung (20) mit \frac{1+i}{1+f} und erhält:

(21)   \begin{equation*}RBI(n;i;f) \frac{1+i}{1+f} = 1 + \frac {1+f} {1+i} +  \ldots +\left(\frac {1+f} {1+i}\right)^{n-1}\end{equation*}

Jetzt kann man Gleichung(20) von Gleichung(21} subtrahieren und erhält:

(22)   \begin{equation*}RBI(n;i;f) \left(\frac{1+i}{1+f} - 1\right)  = 1 - \left(\frac {1+f} {1+i}\right)^{n}\end{equation*}

Dieser Ausdruck lässt sich umformen zu:

(23)   \begin{equation*}RBI(n;i;f) \frac{i-f}{1+f}  = \frac {(1+i)^n - (1+f)^n} {(1+i)^n} \end{equation*}

Und nach dem Rentenbarwertfaktor aufgelöst, erhält man schließlich:

(24)   \begin{equation*}RBI(n;i;f)  = \frac {[(1+i)^n - (1+f)^n](1+f)} {(1+i)^n (i-f)} \end{equation*}

Ein erster Plausibilitätscheck ergibt, dass für eine Inflationsrate in Höhe von 0, der weiter oben abgeleitete Rentenbarwertfaktor resultiert. Für die monatliche Rente von 2.000 Euro mit einer jährlichen Inflationsanpassung über 16 Jahre ergibt sich folgendes: Bei einer Inflationsrate von 8 Prozent, beträgt die Summe der Zahlungen 786.005,42 Euro. Der Barwert dieser Zahlungen beträgt bei einem Zinssatz von 2%:

(25)   \begin{equation*}B = 24.000 \cdot RBI(16;0,02;0,08)  = 24.000 \cdot \frac {[(1+0,02)^{16} - (1+0,08)^{16}](1+0,08)} {(1+0,02)^{16} (0,02-0,08)} \end{equation*}

(26)   \begin{equation*}B =  24.00{0 \cdot 26,9210 = 646.104,00 \end{equation*}

Das heißt, um den Einfluss der Inflation auszugleichen, muss ein fast doppelt so hoher Betrag gegenüber dem Fall ohne Inflation angelegt werden.

Der Wiedergewinnungsfaktor bei Inflation

Wie in dem Fall ohne Inflation, lässt sich sich auch hier ein Wiedergewinnungsfaktor angeben. Offensichtlich gilt, dass der Barwert B der Rente gleich der Rentenzahlung a mal dem Rentenbarwertfaktor unter Inflation RBI(n;i;f) ist:

(27)   \begin{equation*}B = a \cdot RBI(n;i;f)\end{equation*}

Das bedeutet aber auch, dass die Rente gleich dem Barwert multipliziert mit dem Kehrwert des Rentenbarwertfaktors unter Inflation ist:

(28)   \begin{equation*}a = B \cdot \frac{1}{RBI(n;i;f)}\end{equation*}

Der Kehrwert des Rentenbarwertfaktors unter Inflation ist gleich dem gesuchten Wiedergewinnungsfaktor unter Inflation, WGI(n;i;f):

(29)   \begin{equation*}WGI(n;i;f) = \frac{1}{RBI(n;i;f)}\end{equation*}

Und ausgeschrieben:

(30)   \begin{equation*}WGI(n;i;f) = \frac {(1+i)^n (i-f)}{[(1+i)^n - (1+f)^n](1+f)} \end{equation*}

Weiter oben haben wir gesehen, dass mit einem Barwert von 325.864,80 Euro, bei 2 Prozent Zinsen und einer Laufzeit von 16 Jahren, eine jährliche Rente von 24.000 Euro erzielt werden kann. Wir haben auch gesehen, dass die Kaufkraft dieser Rente bei 8 Prozent Inflation beträchtlich sinkt. Mit dem Wiedergewinnungsfaktor können wir nun eine (um 8 Prozent wachsende) Rente berechnen, die Jahr für Jahr die gleiche Kaufkraft aufweist.  Der Wiedergewinnungsfaktor berechnet sich zu:

(31)   \begin{equation*}WGI(16;0,02;0,08)  = \frac  {(1+0,02)^{16} (0,02-0,08)}{[(1+0,02)^{16} - (1+0,08)^{16}](1+0,08)} = 0,037146 \end{equation*}

Und damit erhält man für a bei einem Barwert von 325.864,80 Euro:

(32)   \begin{equation*}a = 325.864,80 \cdot 0,037146 = 12.104,46 \end{equation*}

Es handelt sich hier nicht um eine konstante Rente, sondern um eine Rente, die jährlich um die Inflationsrate steigt: Im ersten Jahr auf 13.073,10 Euro, im zweiten Jahr auf 14.118,85 Euro und erreicht schließlich nach 16 Jahren 41.469,80 Euro. Konstant bleibt die Kaufkraft, nämlich 12.104,46 Euro – etwas mehr als die Hälfte der Rente ohne Inflation.

 

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